Lana del Rey, gebürtige Elizabeth Grant, bastelt sich einen Kunstnamen aus Lana Turner und dem Ford Modell Del Rey aus den 80er Jahren, unterzieht ihre Lippen einer Botox-Behandlung und macht sich auf, der neue Shooting Star am Sternchenhimmel zu werden. Die Stimme – wirklich besonders, die Melodie von Video Games – eindringlich-meditativ, das Video – eine gekonnte, rasante Collage aus 50er und 60er-Jahre Zeitzeichen gemischt mit aktuellen Aufnahmen im angesagten Retro-Look.
Was sie da singt? Auf den ersten Blick ein ganz normales Liebeslied. Sie skizziert eine Szene wie aus einem Film: Sie wartet auf ihn im Hof, er fährt vor in seinem schnellen Wagen, pfeift ihren Namen, genehmigt sich ein Bier und lädt sie ein, zu ihm zu kommen und sich die Zeit mit einem Video Spiel zu vertreiben:
„Swinging in the backyard
Pull up in your fast car
Whistling my name
Open up a beer
And you say get over here
And play a video game. „
Dann geht’s zur Sache, sie legt (warum jetzt erst?) sein Lieblingsparfum auf, legt einen Striptease hin und der Abend nimmt seinen Lauf:
„I’m in his favorite sun dress
Watching me get undressed
Take that body downtown
I say you’re the best
Lean in for a big kiss
Put his favorite perfume on.“
So weit, so romantisch. Grundsätzliches über die Liebe bildet den Refrain des Songs, auch sehr rosarot: die Welt ist nur für uns zwei da, ohne Liebe ist alles nichts:
„It’s you, it’s you, it’s all for you
Everything I do
I tell you all the time
Heaven is a place on earth with you…
They say that the world was built for two
Only worth living if somebody is loving you“
Etwas irritierend ihre Rückfrage:
„I heard that you like the bad girls
Honey, is that true? „
Man weiß nicht so genau, findet sie das beängstigend oder turnt sie das an? Ihre Liebe beteuert sie weiterhin. Und wie um zu beweisen, dass sie die Rolle des „bad girl“ auch spielen kann, kommen andere Untertöne ins Spiel:
„Singing in the old bars
Swinging with the old stars
Living for the fame
Kissing in the blue dark
Playing pool and wild darts
Video games
He holds me in his big arms
Drunk and I am seeing stars
This is all I think of
Watching all our friends fall
In and out of Old Paul’s
This is my idea of fun
Playing video games.“
Der Traum vom Leben im Ruhm, in Kneipen, mit Drogen, Spiel und Alkohol – dazu die Bilder im Videoclip, diese Mischung aus Lebensfreude, Spaß und menschlichen Abgründen: das Bild vom American Dream und von der rosaroten Liebesgeschichte wirkt verzerrt, die hübsch gestylte Sängerin in den Armen eines Video Games spielenden Macho – ganz schön schräg.
Überhaupt dieses Frauenbild: haben wir emanzipierten Mütter unsere Töchter nicht vor solchen Typen gewarnt? Haben wir nicht immer wieder betont, dass es nicht nur auf die äußere Schönheit ankommt und dass wir nicht die Püppchen auf dem Schoß der Männer sein wollen und sollen? Eben! Die Töchtergeneration geht ihre eigenen Wege und spielt mit diesen Klischees, vielleicht verunsichert, vielleicht genervt, vielleicht trotzig gerade drum. Es ist nicht so einfach, sich zu entscheiden zwischen all den Rollenangeboten, die jungen Frauen heute gemacht werden.
Lana des Rey bedient in Video Games ja nicht einfach das Klischee vom seligen Hollywood-Himmel, von den guten alten Fifties und Sixties, auch der amerikanische Traum hat seine Schattenseiten.
In Zeiten der Krise (und in einer solchen befinden wir uns sicherlich, auch wenn wir das in Deutschland nicht so deutlich spüren) gibt es immer mehrere Optionen: neue Visionen entwickeln oder die „Rolle rückwärts“ in die guten, alten Zeiten. In der Generation der jungen Erwachsenen spüre ich eine gewisse Ratlosigkeit. Wovon sollen wir träumen, woran sollen wir glauben, wo führt das hin?
Kunstfiguren zu schaffen scheint ein Erfolgsrezept in der Pop-Industrie zu sein. Hoffen wir mal, dass Lana del Rey weiß, wer sie wirklich ist und was sie wirklich will…außer Geld verdienen natürlich, wie wir alle. 😉