Lied für die Mutigen: It’s My Life – Bon Jovi


Diese Tage werden vielleicht – hoffentlich?- in die Geschichte eingehen. Den ganzen Tag über habe ich die Bilder aus Ägypten verfolgt. Wird das ägyptische Volk den Weg in die Demokratie finden? Wie steht eigentlich „das Volk“ zu der ganzen Frage? Es demonstrieren ja längst nicht alle. Viele haben vielleicht Angst oder gar keine Meinung. Die Informationen fließen nur recht spärlich. Wer steigt da schon durch? Was ich sehe, berührt mich. Ich wünsche den Egyptern, dass ihr Wunsch, in einem demokratischen und freien Land zu leben, in Erfüllung geht.

Ein Lied aus dem Jahr 2000 von Bon Jovi kommt mir in den Sinn. „It’s my life“, die Hymne der Fußball-EM.

„I ain’t gonna be just a face in the crowd. You’re gonna hear my voice when I shout it out loud!” Über eine Million Menschen in Kairo – die Macht der Masse, aber eben auch: einzelne Gesichter, Individuen, die interviewt werden, die ihre Meinung sagen, die ihren Ärger und ihre Hoffnung den Reportern aus aller Welt offenbaren: „It’s my life, it’s now or never“. Dies ist die Stunde der Wahrheit, wenn sich jetzt nichts ändert, dann siegt vielleicht die Unterdrückung, der Machtwille einiger Weniger. Ich möchte leben, solange es noch nicht zu spät ist. Und Leben heißt hier: in Freiheit und Selbstbestimmung leben, im Hier und Jetzt, und nicht in einer Zukunft, auf die ihr, die Machthaber, die religiösen Führer mich vertrösten wollt.

Dieses Lied ist für die, die es schwer haben im Leben, für Tommy und Gina. Er, der Hafenarbeiter, sie, die Bedienung im Schnellrestaurant. Sie tauchen auch in anderen Liedern Bon Jovis auf, z.B. „Living on a Prayer“. Sie kämpfen, leben für ihren Traum, füreinander: “It doesn’t make a difference if we make it or not,we got each other and that’s a lot for love, we’ll give it a shot.”

Dieses Lied ist für die Kämpfer, nicht für die, die schon aufgegeben haben. “This ain’t a song for the broken-hearted, no silent prayer for the faith-departed”. Es ist für die, die ihren Weg gehen: “I did it my way“ (Zitat Frank Sinatra). Es ist für die, die die Herausforderung annehmen:  „Better stand tall when they’re calling you out“ , die sich nicht beugen, die  nicht brechen, nicht zurückweichen: „Don’t bend, don’t break, baby, don’t back down“.

Es ist leicht, sich vom gemütlichen Sessel aus eine Meinung zu bilden, zu sagen: lasst euch nicht unterkriegen.

Es fließt schon Blut, es gab schon mindestens ein Todesopfer.

Und trotzdem, was anderes bleibt uns jetzt nicht, als denen Mut zuzusprechen, die einen friedlichen und gerechten Weg suchen.

Unsere Gedanken, unsere Gebete sind mit euch.

It’s YOUR life, it’s now or never!

Wir sind das Volk? We are the people – Empire Of The Sun

Lyrics findet ihr hier. Das offizielle Video (unbedingt ansehen!) gibt’s hier. For English version look here.

Eine Telefongesellschaft verhalf diesem Song des australischen Musikprojektes “Empire Of The Sun” aus dem Jahr 2008 in die Top Charts. Die Werbung ist gut gemacht: Junge Menschen suchen und finden die Liebe im Dschungel der Großstadt. Ohne Smartphone geht eigentlich gar nichts mehr. „We are the people that rule the world. A force running in every boy and girl, all rejoicing in the world. Take me now  – we can try.” Das Lebensgefühl einer Generation: genießen, Spaß haben, bestimmen wo es langgeht, leben im Jetzt. Aber auch: Erinnerung an vergangene (schöne) Zeiten: Abenteuer, Sommer, füreinander da sein, sich verlieben, bevor es zu spät ist:  „The feeling was stronger. The shock hit eleven, got lost in your eyes.

Eine Jahreszahl wird erwähnt: 1975. Das hat die Smartphone-Generation ja nicht mehr erlebt. Was war da noch einmal? Ende des Vietnamkrieges und des Franco-Regimes in Spanien, Unterzeichnung des KSZE-Abkommens – ein Schritt Richtung Abrüstung. Aber auch Unruhen im Libanon, RAF-Terror in Deutschland. Ein Jahr des Umbruchs und Aufbruchs. Vielleicht ist etwas davon spürbar am Anfang des Songs: „We can remember swimming in December, heading for the city lights in 1975. We share in each other, nearer than farther, the scent of a lemon drips from your eyes.” Hippie-feeling?

Auf den ersten Blick handelt es sich aber um ein Liebeslied. Es geht um den Rückblick auf eine Beziehung, auf bessere Zeiten und die Angst, dass es zu  Ende gehen könnte: „Are you gonna leave me now? Can’t you be believing now?”

Dieser Refrain wird sehr oft wiederholt, beinahe schon langweilig, aber auch irgendwie fast beschwörend:“ Can’t you be believing now?” Nur – was sollen wir glauben: an die Liebe, die Macht des Volkes, die Macht der Musik?

So weit, so gut oder belanglos – wie man’s nimmt.

Aber da ist ja auch noch das offizielle Video, wirklich sehenswert. Völlig durchgeknallt,

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bunt, absurd. Es wurde in Mexiko gedreht und nimmt geschichtliche und religiöse Motive auf, in einem wilden Mix: der aztekische Kalender wird durch die Wüste geschleppt und taucht später in einem Urwald-Setting wieder auf. Auf der Suche nach der „Göttin“ kommen sie an einem Brunnengräber vorbei, der aber eigentlich ihr Grab schaufelt, das bereits mit den Totenblumen geschmückt ist. Die „Göttin“ entführt die beiden in ein lebensrettendes Wasserparadies im Dschungel, wo  sie meditierend „zu sich selbst finden“. Dann finden sie sich aber in einer Totentag-Prozession wieder, die Göttin trägt eine Totenmaske. Plötzlich ein Schnitt: die beiden Gestalten liegen (tot, verdurstet?) in der Wüste. War das Ganze nur ein Traum, eine Fata Morgana? Nicht SIE singen am Ende „We are the People“, es ist der undurchsichtige Beobachter am Rande, der schon zu Beginn auftauchte, der übrigbleibt als „das Volk“.

Die Liebesgeschichte der Lyrics bekommt hier eine pseudo-esoterisch-religiöse Dimension, vielleicht sogar politische Konnotationen. „We are the people“ erinnert an die ersten Worte der amerikanischen Verfassung (We the people…)  und uns Deutsche erinnert es natürlich an die „Wir sind das Volk“- Bewegung im Osten des Landes.

Also ein Song, den man einfach so mitsingen kann, zu dem man tanzen kann, der aber auch tiefergehende Gedanken erlaubt, ganz wie man will.

Die Telefongesellschaft verspricht in seinem Werbespot „power to you“. Aber wer hat die Macht? Das Volk, die Politiker, die Banken, die Telefongesellschaften? 😉 Wer weiß  etwas über mich, über dich, über uns?  “I know everything about you. You know everything about me. We know everything about us.” Wasser ist Leben, so predigt das Video, das wissen wir auch und tun doch so, als wüssten wir’s nicht. Wir schaufeln unser eigenes Grab und tanzen unseren eigenen Totentanz.

Könnte man drüber nachdenken. Aber vielleicht lege ich wieder viel zu viel hinein in dieses Lied und das Video. Was meint ihr?

J.S.Bach oder Coldplay? Christmas Lights – Coldplay

Ein Video mit Lyrics gibt es hier. Das offizielle Video findet ihr hier. English version here.

Weihnachten steht vor der Tür. Jetzt muss noch ein Weihnachtslied für das Blog her… Coldplay oder J.S.Bach – das ist hier die Frage!

Es gibt so viele schöne Weihnachtslieder…so viele schöne alte, wie O du Fröhliche, Vom Himmel hoch… Auch die englischen Carols habe ich in meiner Australienzeit lieben gelernt: O Holy Night, Noel Noel, Away in a manger… Mein Lieblingslied ist „Ich steh an deiner Krippen hier“, geschrieben 1653, vertont von J.S.Bach . So Alt. So schön. So gehaltvoll. „O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich könnte fassen…“ (EG 37)
Aber darüber ist schon so viel gesagt worden. Heute gibt es ja auch neue Lieder. Jede Zeit hat ihre Weihnachtslieder. Sagen die etwas aus über die Menschen ihrer Zeit, über ihre, unsere Art, Weihnachten zu feiern?

Die britische Gruppe Coldplay hat dieser Tage einen Weihnachts-Song veröffentlicht: „Christmals Lights“. Die Melodie klingt vertraut, die Stimmen natürlich auch, Coldplay eben. Was ist mit dem Text? Was sagt er über Weihnachten?
Es fängt ja gar nicht gut an:
Christmas night, another fight
Tears we cried a flood
Got all kinds of poisoning,
of poison in my blood.”
Klingt das bekannt? Weihnachtsnacht – und es kracht. Die Statistik gibt ihnen recht. So viele überhöhte Erwartungen an das „Fest der Familie“, das kann schon mal schiefgehen. Da fließen dann die Tränen. Das Gift, das sich angesammelt hat, macht sich bemerkbar. Was hilft? Abstand nehmen, weggehen?
I took my feet
To Oxford Street
Trying to right a wrong
Just walk away
Those windows say
But I can’t believe she’s gone.
Oxford Street mit seinen Schaufenstern und Lichtern helfen nicht weiter. Das Unrecht kann nicht so einfach wiedergutgemacht werden. Sie ist gegangen.
Like some drunken Elvis singing
I go singing out of tune
Saying how I always loved you darling
And I always will.”
Er liebt sie und wird sie immer lieben, sie ihn aber nicht – das alte Lied, ein wenig „out of tune“ gesungen, aber auch bekannt, oder?
But I’m up here holding on
To all those chandeliers of hope”.
Er klammert sich an die Hoffnung, die Lichter, die Kerzen. Aber was fehlt, ist das „weihnachtliche Gefühl“ – dazu gehört offenbar Schnee, zumindest in unseren nördlichen Breitengraden. Immerhin: “Those Christmas lights light up the street.” Und das tun sie ja in unseren Städten – Städte ohne Weihnachtsbeleuchtung sind  heute wirklich nicht vorstellbar, sowenig wie Häuser ohne Kerzen und Lichter. Sie stehen in diesem Lied für die Hoffnung – ganz real, dass die Liebe zurückkommt, dass alle Sorge ein Ende hat.
Those Christmas lights
Light up the street
Maybe they’ll bring her back to me
Then all my troubles will be gone
Oh Christmas lights keep shining on.”

Weihnachten a la Coldplay – das ist:  Musik, Schnee, Lichter und die Hoffnung auf Versöhnung. Immerhin. Kommt mir bekannt vor. Das ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, mit dem man heute noch Weihnachten feiern kann, das Fest der Familie, der Versöhnung, der Geschenke. Christmas ohne Christus – geht auch, natürlich, und wird für viele immer mehr zur Alternative. Christen haben das Fest längst nicht mehr für sich gepachtet.

Ich feiere auch gerne Weihnachten, mit der Familie, mit Geschenken, mit echten Kerzen am Tannenbaum. Aber ich glaube, ich bleibe bei „Ich steh an deiner Krippen hier“ und „O du fröhliche“ zum Mitsingen. Da steckt einfach viel mehr drin: „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht, wie schön sind deine Strahlen!“ (EG 37,3) – denn: „Jesus is the reason for the season“, eigentlich.

Coldplay hör ich mir dann auf 1LIVE im Radio auch ganz gerne an – beim Autofahren… 😉

Frohe und friedliche Weihnachten wünsche ich allen – wie und warum auch immer ihr es feiert!

Outback-Rock mit Botschaft? Beds are Burning – Midnight Oil

Ein Video gibt es  hier –  Lyrics findet ihr hier

Man begegnet ihnen kaum, den Aborigines, den Ureinwohnern Australiens. Sie leben nicht in den Großstädten, nicht in Sydney und Melbourne, sondern im Outback, in den kleinen Landstädtchen und Dörfern oder Roadhouses am Rande der Landstraßen. Sie leben in Alice Springs, in der Mitte des Kontinents, in der Nähe (500km sind nah in Australien!) ihrer größten heilige Orte, Uluru und Kata Tjuta. Ihre Kultur, ihre Kunst jedoch ist allgegenwärtig. Sie wird vermarktet auf T-Shirts und Tassen, auf Kalendern und Postkarten. Viele Didgeridoos und Boomerangs verlassen als Souvenirs jeden Tag das Land. Großformatige Acryl-Leinwandmalereien hängen inzwischen in Museen weltweit und erzielen auf Auktionen Millionenbeträge. Die Künstler leben unter teilweise erbärmlichen Umständen in der staubigen Wüste . Mehrere Familien teilen sich eine Wellblechhütte, oft gibt es keinen Strom, kein fließendes Wasser. Im Jahr 2007 ging ein Aufschrei durch das Land, als eine Untersuchung diese Zustände an die Öffentlichkeit brachte. Dabei wussten es alle längst. Die Ureinwohner Australiens haben die niedrigste Lebenserwartung, die schlechteste Schulbildung, die größten Alkoholprobleme. Besonders die Kinder leiden unter diesen Zuständen, wie der Report aus dem Jahr 2007 „Little Children are sacred“ betonte. Kinder wurden bis in die 70er Jahre hinein aus ihren Familien gerissen, um sie in den Genuss der weißen westlichen Lebensweise zu bringen. Immerhin schaffte es 2007 die Regierung unter Premierminister Kevin Rudd, das längst fällige „SORRY“ im Parlament auszusprechen und so die Schuld einzugestehen, die das Leben dieser Menschen zerstört hat.

Midnight Oil hatte bei der Olympiade in Sydney 2000 auf diese Missstände hingewiesen mit ihrem Song aus dem Jahr 1988 „Beds are burning“. Sie trugen bei ihrem Auftritt schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Sorry“. Damit rückten sie das Schicksal der Aborigines ins Rampenlicht der weltweiten Öffentlichkeit.

Der Song beginnt mit einer Beschreibung des staubig-trockenen heißen Outbackszenarios:

Out where the river broke
The bloodwood and the desert oak
Holden wrecks and boiling diesels
Steaming forty five degrees”.

Bloodwood und Desert Oak, Bäume, die in dieser Trockenheit überleben. Autowracks, die liegengeblieben sind, weil die nächste Tankstelle hunderte von Kilometern entfernt ist. 45 Grad Hitze, im Sommer keine Seltenheit.

In der zweiten Strophe eine ähnliche Stimmung:

Four wheels scare the cockatoos
From Kintore East to Yuendemu
The western desert lives and breathes
In forty five degrees.”

Hin und wieder scheucht ein Auto, meistens Allradantrieb, (asphaltierte Straßen gibt es hier kaum), die Kakadus auf. Was so tot und verlassen aussieht, lebt natürlich trotzdem. Und was da alles lebt: die giftigsten Spinnen und Schlangen der Welt, nachtaktive Beuteltiere, Kängurus natürlich. Aber eben auch Menschen. Unvorstellbar, wie man hier überleben kann, aber sie tun es, und das  seit 50000 Jahren, wie Archäologen nachweisen konnten.

Deshalb der Aufruf:

The time has come                  The time has come
A fact’s a fact                              To say fair’s fair
It belongs to them                     To pay the rent
Let’s give it back”.                     To pay our share“.

Die weißen, eingewanderten Australier sollten ihren Anteil, ihre “Miete” am Land zahlen. Heute kann das nur heißen, den Aborigines dieselben Chancen einzuräumen auf Bildung, Gesundheit, Wohlstand. Kein leichtes Projekt. Da prallen wirklich zwei Welten aufeinander, aber das heißt nicht, dass man aus der Verantwortung entlassen ist als „Eroberer“.

Der Refrain nimmt diese Problematik auf:

How can we dance when our earth is turning
How do we sleep while our beds are burning?

Wie können wir (ruhig) schlafen, während doch das Bett, in dem wir liegen, brennt. Darin liegt in der Tat sozialer Zündstoff. Wir tanzen, vergnügen uns, während die Erde sich weiterdreht. Wird uns nicht irgendwann schwindelig? Zeit zu handeln, Zeit zum Innehalten. Das ist die Botschaft.

So richtig angekommen ist sie noch nicht. Die Erde dreht sich weiter. Immer neue Probleme kommen hinzu. Nicht nur das australische Outback heizt sich auf, die gesamte Erde – auch wenn wir zur Zeit in Deutschland nichts davon spüren…brrr.

Midnight Oil gibt es als Band nicht mehr. Ihr Leadsinger Peter Garrett war Umwelt- und Kulturminister, jetzt ist er Minister für Bildung und Kinder-und Jugendangelegenheiten in der australischen Regierung.

Ihre Botschaft ist immer noch notwendig und ihre Musik hörenswert, finde ich.

Im Dezember 2009 wurde der Song anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen umgedichtet. Mehrere Künstler und Kofi Annan wirkten an dem sehenswerten und leider immer noch aktuellen Videoclip mit.

Remember – Imagine – John Lennon

Lyrics findet ihr hier und ein Video zum Lied kann man hier ansehen :

Heute vor 30 Jahren wurde John Lennon in New York ermordet. Mit „Imagine“ hat er ein Lied hinterlassen, das Musikgeschichte geschrieben hat. Gibt es jemanden, der das Lied nicht kennt?

Es ist schlicht, einfach in seiner Aussage, keine geheimen, verschlüsselten Symbole. So leicht zu verstehen, und so schwer umzusetzen. Denn es will umgesetzt werden. Es erzählt nicht nur. Es fordert auf, etwas zu tun: „Imagine…“. Wenigstens das. Stell dir vor… Und das ist gar nicht so schwer: „It‘s easy if you try.“ Kein Himmel, keine Hölle. Also kein Jüngstes Gericht, keine Verurteilung. Nicht: die einen bei Gott, die anderen beim Teufel –  in Ewigkeit. Keine Ländergrenzen, keine Kriege,  keine Religionen – nichts wofür man in den Krieg ziehen würde. Aber auch: kein Besitz, keine Gier, kein Konsumterror – und deshalb auch: kein Hunger in der Welt. Schon schwerer vorzustellen: „I wonder if you can.“ Schwerer, weil es mein eigenes Leben, meine Lebensweise, meine Prioritäten betrifft und nicht nur politische Entscheidungen der Staatsführer.

You may say I am a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will be as one.”

Klar, das sind Träume, aber John Lennon wusste, dass er nicht allein war mit seinen Träumen.

Es gibt sie ja heute auch noch, die Träumer, Gott sei Dank. Ich persönlich sage das sehr bewusst so. Auch wenn „die Religion“ schlecht wegkommt in diesem Song, auch wenn Religionen für viel Leid auf  dieser Welt verantwortlich sind , sind es doch oft auch religiöse Menschen, die diesen Traum vom guten und gerechten Leben für alle auf dieser Welt lebendig erhalten. Weil sie glauben, dass das, was ist, nicht alles ist. Weil sie ihren Nächsten im Blick haben. Weil es um Gemeinschaft geht und nicht um Trennung und Aufteilung in gut und böse, wahr und falsch. Weil sie die Zukunft im Blick haben und die Vergangenheit nicht vergessen.

Das  Ziel: “The world will be as one”. Die Menschheit als Einheit. So eine einfache Formel, aber wahrscheinlich ist das die Lösung für viele Probleme.

Danke für dieses Lied, John Lennon. Danke für deinen Traum.

Jetzt sind wir dran.

Hausmusik der anderen Art: Closer to the edge – 30 Seconds To Mars

Hier gibt es Lyrics und Video.

Ich mag es, wenn Familienmitglieder zusammen  Musik machen. Hausmusik. Weihnachtsmusik. Was auch immer. Finde ich schön, rührend. Was die Brüder Jared und Shannon Leto da zusammen machen, ist aber eher nicht rührend. Die verbergen sich nämlich hinter dem kreativen, irgendwie kryptischen Bandnamen „30 Seconds to Mars“. Ich muss gestehen, bis vor kurzem wusste ich nicht, dass das  der Name einer Band und nicht der Titel eines Science-Fiction-Romans ist. Mit „Closer to the Edge“ landeten 30 Seconds to Mars Anfang 2010 einen großen Hit. Auch der Text dieses Songs mutet eher geheimnisvoll an.  Schau’n wir ‘mal:

I don’t remember the moment I tried to forget, I lost myself is it better not said, now I’m closer to the edge”.

Rückblickend auf einen Moment des Sich-Selbst-Verlierens gesteht der Sänger: Ich stehe am Abgrund. Und ich weiß nicht mehr genau, wann es anfing.
Unklar ist – warum? Weiter heißt es: “It was a thousand to one and a million to two. Time to go down in flames and I’m taking you closer to the edge”.  Standen die Chancen 1000:1 oder  2Mio:2, dass die Beziehung eine Chance hatte? Oder geht es um ein Spiel, das hoch, sehr hoch verloren wurde – aber zwischen welchen Parteien? Alles sehr rätselhaft. Eine Anklage steht im Raum, ein Vorwurf, die Aufforderung, sich zu entschuldigen. Aber nein: “No, I’m not saying I’m sorry”. Und dann, etwas versöhnlicher: “One day, maybe we’ll meet again”.

Wenn man bisher noch den Eindruck haben konnte, es handele sich um eine unglückliche Liebesgeschichte, dann wird es in der 2.Strophe noch mystischer und geheimnisvoller:

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Can you imagine a time when the truth ran free, the birth of a sun, the death of a dream?“

Mich erinnert das an die biblische Geschichte von Schöpfung (Geburt einer Sonne, die Wahrheit ist frei) und Sündenfall: „This never ending story paid for with pride and fate. We all fall short of glory, lost in our fate.” Die endlose Geschichte des menschlichen Stolzes und der “Vertreibung aus dem Paradies”, der Verlust der träumenden Unschuld und der Ehre, die Krone der Schöpfung zu sein. Wo die christlichen Kirchen zum Sündenbekenntnis aufrufen und die Vergebung durch die Kirche oder durch Gott zusprechen, da kommt hier das protestierende „no, no, no“, das im Song immer wieder auftaucht: „No, no, no, no I’m not saying I’m sorry. I will never forget. No, no I will never regret. No, no I will live my life!“ Ich bereue nichts, ich lebe mein Leben. Ich vermute, dieser Refrain und das Lebensgefühl, das sich darin wiederspiegelt, ist es, das die jungen Fans dieser Band sehr anspricht. Protest gegen die Moral der Etablierten, die Kontrolle der Autoritäten. Kann ich gut nachvollziehen.

Zum Song gibt es ein offizielles, sehr gut gemachtes Video, das bringt noch einmal eine ganz andere Dimension mit hinein. „Closer to the edge“ bekommt für mich hier eine gespenstische, ja politische Note.

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In weiten Teilen des Videos wird gezeigt, wie der Leadsänger Leto die Massen mitreißt.  An einer Stelle erhebt er, in einen dunklen, langen Mantel gehüllt, den rechten Arm zum Gruß. Ein „Are you ready?“ wird eingeblendet – ein Narr, wer da nichts Politisch-Deutsches-Geschichtliches  denkt. Wie es ihm gelingt, ihre Bewegungen, ihren Gesang zu koordinieren, auf den Punkt genau. Wie sie ihm folgen, ihn auf Händen tragen, ihn vergöttern. „Yes, this is a cult“ wird eingeblendet als Jared Leto in einem Lichterkranz regelrecht „gekreuzigt“ wird, und die weltweiten Kultstätten werden gleich mit dazu genannt: London, Tokio, Berlin, New York ….

Genial gemacht ist das Ganze und ich unterstelle mal, dass mit diesem Video genau dieser Abgrund, diese Gefahr selbstkritisch visualisiert werden soll. Der Sänger bringt seine Zuhörer und Fans „closer to the edge“, an den Punkt, an dem sie bereit sind, sich selbst aufzugeben für eine größere Sache, eine andere Person.

Das alles hat religiöse Züge, natürlich. Unterstrichen wird das durch die zwischendurch und besonders am Ende eingeblendeten Statements junger Leute: „Some people believe in God, I believe in music. Some people pray,  I turn up the radio. Music is everything to me.”

Musik, Religion, Macht- ein interessantes Dreigestirn. Ich kann mir keine Religion ohne Musik vorstellen. Viele können sich Religion nicht ohne Macht denken. Und Musik hat ganz sicherlich Macht über Menschen. Sie erfüllt religiöse Bedürfnisse. In diesem Song und vor allem dem Video kommt all das zusammen.

Eine Analyse, eine Warnung, eine Feststellung? Ich frage mich, ob ich überinterpretiere und ob die Fans dieser Band das nachvollziehen können? Ich halte die Band allerdings für so intelligent, dass ich ihnen diese Gedanken durchaus zutraue. Und sie sagen ja selbst: „Unsere Lieder funktionieren wie Gemälde. Kunst soll erfahren und interpretiert werden. Darin liegt ihre unglaubliche Kraft. Sie ist interaktiv und lebt in den Erklärungen jedes einzelnen Individuums weiter. Es wäre unfair, unseren Fans durch eine zu detaillierte Erklärung die Möglichkeit für eigene Interpretationen zu nehmen.“( Zitat)

 

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Also, macht euch selbst ein Bild und eure Gedanken. Was haltet ihr von meinen?

Wenn jetzt Sommer wär‘ – Ingo Pohlmann

http://www.myvideo.de/embed/7758467
Pohlmann. – Wenn jetzt Sommer wär – MyVideo

Lyrics zum Lied findet ihr hier.

Ja, wenn jetzt Sommer wär‘…ist aber nicht. In ganz Deutschland schneit es, die Temperaturen gehen drastisch zurück. Das Wetter ist Thema Nummer eins, egal wo man hinschaut.
Da kam mir Ingo Pohlmanns Gute-Laune-Lied „Wenn jetzt Sommer wär“ und das dazu gehörige originelle Video mit der „Winterversion“ gerade recht. Das möchte ich euch nicht vorenthalten, es macht einfach Spaß.Hier geht es natürlich auch ums Wetter. Und der Text ist überhaupt nicht schwer zu verstehen und bedarf keiner weiteren Erklärung. Sommer, das heißt: Fahrradfahren, ab ins Freibad oder ans Meer, Eis auf der Zunge und nicht unter den Füßen, Jack Johnson im Ohr, gute Laune pur!
Die Botschaft des Songs liegt im Refrain: „Und wenn bei dir jetzt gerade Sommer ist und du zu Hause sitzt und nicht rausgehst, weil du mal wieder vorm TV klebst, dann denke daran, wenn der Tag dich verliert, dass sich das Wetter ändern wird.“
Ein Gruß aus der Nordhalbkugel an die Südhalbkugel (Hallo Australien, hallo Bondi Beach!), wo jetzt der Sommer bald beginnt. Eine Erinnerung daran, dass das Leben sich woanders abspielt als vor dem Fernseher oder Computer.. Kennen wir ja, diese Ermahnung, und ignorieren sie nur allzu gerne – weil sich dort ja auch eine Art von Leben abspielt, nicht wahr?
Dennoch, mit diesem ganz und gar nicht moralisierenden Lied von der verpassten Chance lasse ich mich gerne dazu ermuntern, das Leben vor meiner Haustür wahrzunehmen, damit der „Tag mich nicht verliert“ und ich ihn nicht.
Das Schöne an diesem Song ist aber, dass er nicht jammert, dass er nicht einfach nur das, was nicht ist (und momentan nun mal nicht sein kann!) beklagt. Auch der Winter macht Spaß, kennt seine outdoor-Vergnügen (neben den sowieso geschätzten Vergnügen wie Kerzen, Kamin, Lebkuchen). Schnee und Eis sind kein Grund, vor dem Fernseher zu kleben. Auch in der kalten Jahreszeit kann ein Tag „mich verlieren“, wenn ich mich nicht blicken lasse.
Also, ab aufs Eis, ab in den Wald, ab auf die Piste, was auch immer.
Dass sich das Wetter ändern wird“, ist eh klar. Finde ich auch gut so. Ich bin ein Sommertyp, definitiv. Auf den kann ich schwerer verzichten als auf den Winter. Den habe ich 7 Jahre lang in Australien nicht vermisst, gar nicht!
Aber so wie in diesem Video, in diesem Song, lasse ich mir den Winterwind gern mal um die Ohren und um die Nase wehen.
Viel Spaß und „Grüße aus dem Winter an alle Sommerkinder!

Ganz schön heilig: Geboren um zu leben – Unheilig

Hier könnt ihr das Video sehen. Die Lyrics gibt’s hier.

Wie kann jemand, der sich „Unheilig“ nennt, nur so religiös daherkommen? Der Name soll wohl Programm sein, soll provozieren, Neugier wecken. „Heilig“ ist Langeweile, Tradition, Kirche und konservativ. „Unheilig“, das ist aufmüpfig, böse, dunkel, sündig, aber auch frei, fortschrittlich, unangepasst – und damit im Trend.

Der Graf, eigentlich Bernd Heinrich Graf, kommt ursprünglich aus der Gothic-Szene und kokettiert immer noch gerne damit, obwohl in seinen letzten Songs davon eigentlich nichts mehr zu spüren ist.

In seinem bisher wohl erfolgreichsten Lied „Geboren um zu leben“ vom

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Februar 2010 nimmt er Abschied von jemandem, der ihm viel bedeutet hat und mit dem ihn schöne Erinnerungen verbinden: „Es fällt mir schwer, ohne Dich zu leben …. Ich denke an so vieles seitdem Du nicht mehr bist“. Das zum Song veröffentlichte Video legt nahe, das es sich hierbei um einen Freund aus Kindertagen handelt, der leidvolle, aber auch schöne und befreiende Erfahrungen mit ihm geteilt hat. Der Schmerz um den Verlust ist noch lebendig, noch kann der Platz nicht einfach von jemand anderem eingenommen werden, ein ganz normaler Trauerprozess: „Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen, mit gutem Gefühl etwas Neues zuzulassen. In diesem Augenblick bist Du mir wieder nah wie an jenem so geliebten vergangenen Tag.“

Aber irgendwann geht das Leben weiter, man blickt nach vorne, man braucht eine Zukunft, etwas, worauf man sich freuen kann, neue Pläne: „Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben, ohne Reue nach vorn‘ in eine Zukunft zu schau’n.“

Der Refrain übermittelt dann die eigentliche Botschaft des Songs: „Wir war’n geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir war’n geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.“ Das ist nicht schwer zu verstehen, da ist nichts Geheimnisvolles, Mehrdeutiges, auch nicht wirklich Anspruchsvolles… Text und Melodie tendieren wohl eher in die Rubrik „Schlager“ als Rock oder gar Gothic.

Ein „unheiliger Schlager“ – geht das eigentlich? Das Lied beweist es. Wir wollen Trost, Wunder, Ewigkeit, Leben. Jemanden an unserer Seite. Wenn das mal nicht „religiös“ ist, dann weiß ich auch nicht… Und der Graf gibt in Interviews ja auch zu, dass er ein „religiöser Mensch“ sei, dass seine Familie ihm „heilig ist“ (Interview mit der Gießener Zeitung vom 24.3.2010), dass er an Gott glaubt, nur eben nicht an „die Kirche“, obwohl er angeblich Kirchensteuer zahlt, was ich sehr löblich fände bei seinem Einkommen!

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Auch andere Texte, wie „Schutzengel“, und „Der Himmel über mir“ zeugen von dieser Religiosität und sprechen damit offenbar vielen aus der Seele, die sich als „irgendwie religiös oder gläubig“ bezeichnen, sich aber von den Kirchen entfremdet haben. Es ist doch erstaunlich, dass die Bild- und Sprachwelt eben jener Kirchen einfach mitgenommen wird in den „unheiligen Alltag“. Sie taugen offenbar doch zu etwas. Das sollte den Kirchen zu denken geben. Was machen sie nur falsch?

Das Leben in Farbe: Red Song – Hey Rosetta


Lyrics findet ihr hier.

Ich liebe Farben. Buntstifte, Stoffe, buntes Papier. Vielleicht hat mich der Titel „Red Song“ deshalb gleich angesprochen.

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Hey Rosetta, eine Indie-Rock-Band aus Kanada, kann in den Charts nicht mit Lady GaGa konkurrieren, aber was heißt das schon… Red Song aus dem Jahr 2009 ist ein sehr poetisches, ruhiges Lied. Es lohnt sich, da mal näher hinzusehen.

Ein Lied voller Farben, voller Symbole. Nicht alle völlig verständlich, manches mehrdeutig, fast träumerisch. Aber das ist wohl Absicht: „Kind of a love song, kind of a sleeping song, kind of a Joseph song” – so beschreibt Sänger Tim Baker es selbst in einem Interview.

In the white I wake up, in the white I die“ – Weiß, Anfang und Ende, Farbe der Unschuld. Am Anfang ist alles möglich, am Ende alles vollbracht. In Weiß sind alle anderen Farben enthalten.

Aber dann kommt Farbe ins Spiel, die Farbe, die dem Lied den Namen gibt: „somewhere in the red I see your eyes“. Rot ist Liebe, Wärme. Leidenschaft. Rot zieht sich wie ein roter Faden durch den Song, wie eine Art Refrain. „Somewhere in the red, I have your lips…somewhere in the red I taste your skin“. Die Liebe als roter Faden, als Halt, als Refrain im Leben. Schön!

Aber es wird noch bunter im Red Song: „In the green I‘m out walking, and in the green I live”. Grün,  das ist Natur, meine Welt, Wälder und Wiesen, Heimat. Grün ist Geborgenheit, Hoffnung, Alltag.

Das Blau ist dynamischer, kraftvoller hier: „In the blue I’m rising like an ocean”, aber auch gefahrvoller: “ and in the blue it’s down, I sail…“ Blau ist das Meer, die Sehnsucht nach Ferne und Fremdem und Abenteuer, Blau ist das Göttliche, das Herausfordernde.

Dazwischen ein neues Thema: „I dream of a cloud, I dream of you“. Träume kommen ins Spiel und eine Geschichte neben der Liebesgeschichte, aber eigentlich auch eine Liebesgeschichte.

Joseph, der Träumer, der Israelit, der die Träume des Pharao deutet, der von fetten und dürren Jahren träumt, nachzulesen in der Bibel in 1.Mos 37-50: „…his eyes wrappes in all these dreams“.

Joseph ist beliebt: „the girls loved his face and could not look away“, die Frau seines Chefs will ihn verführen. Aber er hat nur Augen für seine Träume.

Joseph bekam als Lieblingssohn einen bunten Mantel vom Vater geschenkt. Seine eifersüchtigen Brüder verkaufen ihn nach Ägypten und schicken dem Vater den blutverschmierten Mantel. Er soll denken, Joseph sei getötet worden: …“coloured cloth in autumn gray…covered with bloody stains“. Hier ist das Rot Farbe der Gewalt, das Leben hat auch Graustufen. Es gibt kein Leben, vielleicht auch keine Liebe ohne Schmerz. Aber es gibt wieder neue Liebe nach dem Schmerz – eine Lebenserfahrung, die hilft zu überleben: „… without the pain we learn to love again“. Auch in der Josephsgeschichte kommt nach dem Schmerz und der Trennung die Vergebung, das Wiedersehen mit dem Vater und den Brüdern.

Dann noch eine letzte Farbe, Un-farbe eigentlich: „in the black I feel you, in the black I sense“. Schwarz ist der Tod, das Ende. Oder doch nicht – I feel, I sense? Es geht weiter, auch im Schwarz. Ist Liebe stärker als der Tod? „Somewhere in the red the colours end“. Nicht im Schwarz enden die Farben, endet das Leben, sondern im Rot, in der Liebe.

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Das kann und muss jede/r für sich deuten.
Führt die Liebe ins Schwarze, in den Schmerz, in das Ende? Hat sie keinen Bestand? Oder hilft sie uns durch das Schwarz hindurch? Kann die Liebe alles in sich aufnehmen, alle Farben, alle Erfahrungen? Ist sie das Größte, Letzte?

Ich hoffe es.

Viele Fragen bleiben offen. Was meint ihr? Was sagt euch das Lied? Würde mich interessieren…

Lovestory ohne Happy End: Bad Romance – Lady GaGa

Ein Video (leider mit schlechter Bildqualität) gibt es hier. Die Lyrics findet ihr hier.

Man kommt ja nicht um sie herum: Lady GaGa hat gerade wieder bei den MTV Europe Music Award mehrere Titel geholt und mit Bad Romance  angeblich den „besten Song des Jahres“ auf den Markt gebracht. Wenn der Song im Radio läuft (und er läuft ja doch immer noch oft), komme ich nicht umhin mitzusingen, ja, es ist ein Ohrwurm. Ich weiß, es geht hier wahrscheinlich nicht so sehr um den Text, sondern um Melodie, Rhythmus, es geht um das Gesamtkunstwerk Lady GaGa, um ihre Videos und ihre irgendwie schon atemberaubenden Auftritte. Die Frau hat eindeutig ein Gespür für das, was die Massen hören wollen und setzt das gekonnt um, dafür bewundere ich sie.

Aber: der Song hat nun einmal lyrics. Nicht, dass man alles verstehen müsste. „Rah-rah-ah-ah-ah! Roma-Roma-ma-ah!” konnte ich in keinem Wörterbuch finden, macht auch nichts…

Es geht um ein „Liebesverhältnis“, eine „bad romance“ eben. Romantisch klingt es nur an manchen Stellen: “I want your love, I want your drama, the touch of your hand. I want your leather studded kiss in the sand.

Aber schon hier deutet sich die schwarze, dunkle Seite dieser Romanze an. Es geht um Gewalt und Rache.
All your love is revenge, you and me could write a bad romance.

© PhotoXpress.com

Der Lover wird nicht gerade als liebenswert im klassischen Sinne beschrieben. „I want you ugly, I want your disease, I want your horror, I want your design
‘cause you’re a criminal as long as you’re mine.

Er ist böse, bedrohlich, häßlich und krank. Er bezahlt für sie, sie muss ihm zur Verfügung stehen. Aber sie will ihn, trotzdem, oder besser: deshalb.
I want your love and I want your revenge. I want your love, I don’t wanna be friends .” Sie will keine Freundschaft, sie will keine Liebe. Sie will Lust, Unterwerfung – ihre Form von Gewalt und Macht. Im offiziellen Video wird das deutlich. Sie ist Opfer und zugleich Täterin. Sie zitiert Hitchcock in Bildern (Duschszene) und Worten  : „I want your psycho, your vertigo  stick,  want you in my rear window…“
Am Ende liegt ein verkohltes Skelett neben ihr im Bett. Gruselig. Kein happy end.

Trotz dieser harten, teilweise anstößigen Worte hat der Song solchen Erfolg. Oder vielleicht gerade deshalb. Lieder über die Liebe gibt es schon genug. Und die sind oft genug genauso „einseitig“ wie Lady GaGas Song, nur eben andersherum. Alles eitel Sonnenschein, die wahre große Liebe fürs Leben. Die Realität sieht für viele anders aus. Und selbst wo die Fassade zu stimmen scheint, tun sich manchmal überraschende Abgründe auf. Ich behaupte mal: in  jedem steckt ein Stück „Bad Romance“, ein Stück Fasziniertsein vom  Bösen, Dunklen, Unerklärlichen. Es ist kein Zufall, dass die meisten Morde Beziehungstaten sind, wenn ich richtig informiert bin. Es gibt mehr bad romance im Alltag als wir wahrhaben wollen.

Das musste vielleicht auch mal gesagt oder gesungen werden, ist vielleicht psychologisch gesund… Thanks, Lady GaGA!