„Was singen die denn da“? Text oder Melodie – worauf kommt es an?

Seitdem ich mit diesem Blog angefangen haben, frage ich mich öfters: Wie wichtig ist eigentlich der Text bei einem Lied? Man wundert sich doch immer wieder, mit welch banalen Lyrics Songs in die Charts kommen. Hört da überhaupt jemand zu?

Also, ICH höre zu, sonst gäbe es dieses Blog ja nicht.

Aber mir geht es natürlich auch so: Das Erste, was bei einem Lied auffällt, ist die Musik, die Melodie, der Rhythmus, die Instrumentierung. Das unterscheidet ja nun mal ein Lied von einem Gedicht. Die Stimme des Sängers oder der Sängerin lösen meistens auch erste Reaktionen aus – entweder sie gefällt mir oder nicht. Es gibt so etwas wie „Liebe auf den ersten Blick“ oder besser  „beim ersten Hören“ auch bei Liedern. Und sicherlich erschließen sich manche Lieder auch erst nach mehrmaligem Hören.

Es kommt also wohl in erster Linie darauf an, was man sucht, was man erwartet.

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Wenn ich einfach nur abtanzen will, reicht ein guter Beat, vielleicht noch ein eingängiger Refrain zum Mitsingen. Zu dieser Kategorie gehören für mich Songs wie Jason DerulosIn my head“, Lady GaGAs „Bad Romance“, aber auch „Closer to the edge“ von 30STM oder „We are the people“ von Empire Of The Sun. Ich vermute mal, dass viele von uns Deutschen den Text dieser  Songs auch gar nicht verstehen. Trotzdem sind sie in den Charts ganz oben.

Andere Lieder, die ich eher als Balladen bezeichnen würde, mit einem langsamen Rhythmus, einer ruhigen Melodie legen mehr Wert auf den Text. Sie möchten eine Botschaft vermitteln, so wie John Lennons „Imagine“ oder Midnight Oils „Beds are burning“. Wieder andere erzählen kleine Geschichten, die das Leben schrieb. Ein schönes Beispiel hierfür ist Alanis Morissettes „Ironic“ oder Jay Brannans „Housewife“ oder Eminems „Stan“. Auch Lieder wie „Geboren um zu leben“ von Unheilig sprechen durch ihren Text und nicht nur durch die Melodie ganz bestimmte Sehnsüchte in uns an.

Das Lied „Red Song“ von Hey Rosetta, das ich auch hier im Blog näher betrachtet habe,  ist in meinen Augen ein vertontes Gedicht, nicht leicht zu verstehen und offen für persönliche Interpretation.

In bestimmten Lebenslagen hören wir unterschiedliche Musik, und da kommt es dann durchaus auf die Texte an. Wenn ich verliebt bin, höre ich Liebeslieder, wenn ich gerade enttäuscht worden bin, ist mir eher nach „Grenade“ von Bruno Mars zumute.

Was mich aber überrascht hat:  dass auch in den Top Charts Songs wie „Closer to the edge“ und „We are the people“ poetische Textfragmente  enthalten sind, die gar nicht so leicht zu verstehen sind. Vielleicht soll das auch nur kryptisch und bedeutungsvoll klingen – wer weiß, aber man kann ja durchaus einen Sinn hineinlesen (siehe meine Versuche im Blog).

Jeder Song, der Lyrics hat, transportiert eine Botschaft, und sei es auch nur nebenbei oder unbewusst – auch „Bad Romance“ und “In my Head“. Dessen sollten wir uns bewusst sein.

Deshalb denke ich: Der Text  IST  wichtig!

Was meint ihr? Ich freue mich über Kommentare und Gesprächsbeiträge. Habt ihr einen Lieblingssong? Vielleicht nehme ich ihn mal unter die Lupe… 😉

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Ganz schön heilig: Geboren um zu leben – Unheilig

Hier könnt ihr das Video sehen. Die Lyrics gibt’s hier.

Wie kann jemand, der sich „Unheilig“ nennt, nur so religiös daherkommen? Der Name soll wohl Programm sein, soll provozieren, Neugier wecken. „Heilig“ ist Langeweile, Tradition, Kirche und konservativ. „Unheilig“, das ist aufmüpfig, böse, dunkel, sündig, aber auch frei, fortschrittlich, unangepasst – und damit im Trend.

Der Graf, eigentlich Bernd Heinrich Graf, kommt ursprünglich aus der Gothic-Szene und kokettiert immer noch gerne damit, obwohl in seinen letzten Songs davon eigentlich nichts mehr zu spüren ist.

In seinem bisher wohl erfolgreichsten Lied „Geboren um zu leben“ vom

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Februar 2010 nimmt er Abschied von jemandem, der ihm viel bedeutet hat und mit dem ihn schöne Erinnerungen verbinden: „Es fällt mir schwer, ohne Dich zu leben …. Ich denke an so vieles seitdem Du nicht mehr bist“. Das zum Song veröffentlichte Video legt nahe, das es sich hierbei um einen Freund aus Kindertagen handelt, der leidvolle, aber auch schöne und befreiende Erfahrungen mit ihm geteilt hat. Der Schmerz um den Verlust ist noch lebendig, noch kann der Platz nicht einfach von jemand anderem eingenommen werden, ein ganz normaler Trauerprozess: „Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen, mit gutem Gefühl etwas Neues zuzulassen. In diesem Augenblick bist Du mir wieder nah wie an jenem so geliebten vergangenen Tag.“

Aber irgendwann geht das Leben weiter, man blickt nach vorne, man braucht eine Zukunft, etwas, worauf man sich freuen kann, neue Pläne: „Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben, ohne Reue nach vorn‘ in eine Zukunft zu schau’n.“

Der Refrain übermittelt dann die eigentliche Botschaft des Songs: „Wir war’n geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir war’n geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.“ Das ist nicht schwer zu verstehen, da ist nichts Geheimnisvolles, Mehrdeutiges, auch nicht wirklich Anspruchsvolles… Text und Melodie tendieren wohl eher in die Rubrik „Schlager“ als Rock oder gar Gothic.

Ein „unheiliger Schlager“ – geht das eigentlich? Das Lied beweist es. Wir wollen Trost, Wunder, Ewigkeit, Leben. Jemanden an unserer Seite. Wenn das mal nicht „religiös“ ist, dann weiß ich auch nicht… Und der Graf gibt in Interviews ja auch zu, dass er ein „religiöser Mensch“ sei, dass seine Familie ihm „heilig ist“ (Interview mit der Gießener Zeitung vom 24.3.2010), dass er an Gott glaubt, nur eben nicht an „die Kirche“, obwohl er angeblich Kirchensteuer zahlt, was ich sehr löblich fände bei seinem Einkommen!

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Auch andere Texte, wie „Schutzengel“, und „Der Himmel über mir“ zeugen von dieser Religiosität und sprechen damit offenbar vielen aus der Seele, die sich als „irgendwie religiös oder gläubig“ bezeichnen, sich aber von den Kirchen entfremdet haben. Es ist doch erstaunlich, dass die Bild- und Sprachwelt eben jener Kirchen einfach mitgenommen wird in den „unheiligen Alltag“. Sie taugen offenbar doch zu etwas. Das sollte den Kirchen zu denken geben. Was machen sie nur falsch?