Vom Suchen und Finden – I still haven’t found what I’m looking for – U2

Ich komme gerade aus Dresden von einem  fünftägigen Happening. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag haben sich Hunderttausende auf die Suche gemacht. Sie haben nach Begegnung gesucht, Spaß, Musik, Entdeckungen in einer wunderschönen Stadt, aber auch nach Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen: wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir, was sollen und können wir tun?

Darauf gibt es viele verschiedene Antworten. Christen finden andere als Buddhisten, Muslime, Juden oder Atheisten. Es soll Menschen geben, die sich solche Fragen gar nicht stellen. Das ist mir fremder als die Antworten, die andere Glaubensrichtungen geben.

Um das Suchen und Finden von Antworten geht es auch in diesem Song. 1987 veröffentlicht die irische Band U2 ihr Album „The Joshua Tree“ mit dem Song “I still haven’t found what I’m looking for“ (Lyrics gibt es hier, das Video zum Song könnt ihr hier ansehen).

Schwierig ist es natürlich dann, wenn man gar nicht so genau weiß, wonach man sucht. Die konkreten Fragen werden auch hier im U2 Song nicht genannt, wohl aber die Orte, an denen sie suchen: „I have climbed the highest mountains, I have run through the fields… I have run, I have crawled,I have scaled these city walls”. Nicht in der Natur, nicht in der Stadt sind sie fündig geworden. Was sie gesucht haben? „Only to be with you” – das klingt nach einem Liebeslied.

Im weiteren Verlauf bestätigt sich diese Vermutung: „I have kissed honey lips, felt the healing in her finger tips, it burned like fire this burning desire”. Endlich mit der Person zusammen sein zu können, die man begehrt und liebt, das scheint das Ziel vieler Menschen zu sein, besonders wenn man mal auf Songlyrics achtet. Um Liebe und Enttäuschung geht es immer wieder.
Hier auch: „But I still haven’t found what I’m looking for“ – der Titel des Songs ist zugleich der immer wieder kehrende Refrain. Gesucht und nicht gefunden. Auch die Beziehung zu einem anderen Menschen hat die Lücke nicht füllen können, die Sehnsucht nach einer Antwort auf alle Fragen.

I have spoken with the tongue of angels, I have held the hand of a devil” – selber mit Engelszungen reden und gleichzeitig die Gesellschaft des Bösen ausprobieren, das führt dazu, dass man selbst in einer lauen Nacht fröstelt: „It was warm in the night, I was cold as a stone“, es fühlt sich alles nicht richtig an, nicht vollkommen, da fehlt etwas. „But I still haven’t found what I’m looking for.

Was dann folgt, ist ein christliches Glaubensbekenntnis, dazu steht die Band U2 ja ganz öffentlich und daraus folgt auch ganz konsequent ihr soziales und politisches Engagement:  „ I believe in the Kingdom come… You broke the bonds and you loosened the chains, carried the cross of all my shame”. Der Glaube an das Kommen des Reiches Gottes und die Erlösung von Schuld durch den Kreuzestod Jesu gehört zu den zentralen Inhalten des christlichen Glaubens. „Then all the colours will bleed into one, bleed into one” – am Ende werden alle Farben, alle Fragen, alle Fantasien in eins münden, es wird EINE Antwort geben.

ABER: obwohl er das „glaubt“ – „you know I believe it” – bleibt da ein Zweifel. Der Song endet mit dem mehrmaligen „I still haven’t found what I’m looking for.

Das finde ich gut: Zweifel gehört zum Glauben. Wer zweifelsfrei glaubt, ist mir unheimlich. Es gibt noch zu viele offene Fragen.

Auch auf dem Kirchentag in Dresden wurden nicht Antworten auf alle Fragen gegeben. Aber man redet miteinander, die Christen mit den Muslimen und Juden, die Glaubenden mit den Skeptikern und Agnostikern, und das ist das Entscheidende.

Wonach sucht ihr? Seid ihr fündig geworden?
Warum fragt man eigentlich nicht mal U2, ob sie beim nächsten Kirchentag in Hamburg auf dem Abschlussgottesdienst spielen wollen? Fänd‘ ich toll! 😉

P.S. Hab ich heute (2.6.2012) entdeckt (danke, Martin!): der Song als Kirchenlied – geht doch! 😉