Träumen und Hoffen: Paradise – Coldplay

Im Religionsunterricht am Berufskolleg sprechen wir über Religion im Alltag. Wo begegnet sie uns? – und allen ist klar: längst nicht mehr nur in der Kirche. Fernsehen, Internet, Werbung, alle bedienen sich religiöser Symbole und Bilder – und oft ist uns das gar nicht bewusst, so sehr sind diese Bilder in unseren kulturellen Wortschatz ganz selbstverständlich aufgenommen worden.

Das Video ist auch hier anzusehen (hoffentlich ;)…)

Beim Coldplay-Hit „Paradise“ aus dem Album  Mylo Xyloto ist das ja noch ziemlich offensichtlich. Wenn eine Werbeanzeige eines Urlaubsanbieters paradiesische Strände verspricht, dann weiß man, was man sich darunter vorzustellen hat: kristallklares Wasser, feinsandiger, weißer Strand, die eine oder andere schattenspendende Palme – und keine anderen Menschen weit und breit. Das einzige, was hier an die biblische Paradiesgeschichte (nachzulesen in 1. Mose 2) erinnert, ist die Menschenleere: Adam und Eva hatten das paradiesische Stück Garten tatsächlich für sich allein… 😉

In Coldplays Song „Paradise“ (Lyrics gibt’s hier) wird nicht beschrieben, was das Paradies ausmacht. Ein Mädchen, eine Frau („she“) träumt vom Paradies – und nur indem angedeutet wird, wie ihr Leben verläuft, wird das Gegenbild vom Paradies heraufbeschworen:

Das Leben ist schwer, Tränen werden zum Wasserfall, man gerät unter Beschuss und wundert sich, was man alles überlebt wie durch einen Zaubertrick (bullet catch), man gerät unter die Räder, und immer wieder Tränen:

“…and the bullets catch in her teeth

Life goes on, it gets so heavy

The wheel breaks the butterfly

Every tear a waterfall”

Früher war alles anders, besser. Als sie jung war, ein kleines Mädchen, da war das Leben leicht, die Welt lag ihr zu Füßen, die Träume waren groß und schienen greifbar. In der Bibel wird das nicht in eine individuelle Vergangenheit projiziert, sondern in die „Kindheit“ der Menschheit: früher war alles anders, besser, einfacher. Da gab es nur Freundschaft, Frieden und Fülle. Mit der Freiheit der Entscheidung, dem „Erwachsenwerden“ kam die Vertreibung aus dem Paradies. Da liegt ganz schön viel Menschenkenntnis und Weisheit in dieser uralten Geschichte.

Was bleibt uns? Das Träumen vom Paradies in stürmischen Zeiten?

„In the night the stormy night away she’d fly
and dreams of paradise…“

Es bleibt die Erfahrung, dass nach der Nacht  der Tag kommt, nach dem Sonnenuntergang der Morgen und die Erfahrung, dass es auch ein Stück „Paradies“ auf Erden gibt, ab und zu, eine Erinnerung sozusagen an das Leben, das ursprünglich gemeint war: Freundschaft, Frieden, Fülle.

„And so lying underneath those stormy skies

She’d say, „oh, I know the sun must set to rise

This could be paradise.”

Sehr nett interpretiert das Video zum Song diese Gedanken, ohne allzu kitschig daherzukommen, finde ich. Der Elefant flieht aus der Gefangenschaft und macht sich auf die Suche nach seinem Paradies. Er findet seinesgleichen und sein Stück „Himmel auf Erden“ bei den anderen musikalischen Coldplay-Elefanten.

Allerdings: ohne Sonnenauf- und Untergänge und unberührte Natur-Romantik a la „König der Löwen“ kommen auch Coldplay in „Paradise“ nicht aus. Ist aber nicht schlimm – im Gegenteil: auch die Natur sehnt sich nach ihrem Paradies und leidet unter dem Rad des technischen Fortschritts.

Bewahren wir uns die Erinnerung an das Paradies und eine Welt, wie sie sein sollte oder könnte. Religion muss nicht Opium zum Vergessen des Leids, sie kann auch Antrieb für eine bessere Welt sein, oder?

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