Tochter des Windes? The Blower’s Daughter – Damien Rice

So ein traurig-schönes Lied, „The Blower’s Daughter“  (2001)von Damien Rice, – danke an den fiftyfiftyblog für die Anregung! – und nirgendwo finde ich eine überzeugende Erklärung dafür, wer diese große Unbekannte ist:  the Blower’s Daughter.

Die abenteuerlichsten Geschichten kursieren darüber im Internet.

Ist sie die Tochter des Klarinettenlehrers oder ist der Vater Glasbläser? Was soll man von einer angeblich von Damien Rice selbst gegebenen Erklärung halten, nach der es sich um ein minderjähriges Mädchen handelt?

Warum löst du das Rätsel nicht auf, Damien? Aber wir lieben ja Geheimnisse und wer will schon so genau wissen, was die da singen

Eins steht fest: es geht um eine unglückliche, unerfüllte Liebe – und das rührt unser aller Herz an. Der Song  „The Blower’s Daughter“  ist Teil des Soundtracks zum Film „Hautnah“ (2004) und auch in mehreren TV Produktionen zum Einsatz gekommen. In diesem Video werden Szenen aus dem Film und der Gesang von Damien Rice mit Naturaufnahmen kombiniert – enjoy:

Damien Rice – The Blower’s Daughter – Official Video from StupidDoodler on Vimeo.

Lyrics auf der Website von Damien Rice, schön wie ein Gedicht…

and so it is
just like you said it would be
life goes easy on me
most of the time
and so it is
the shorter story
no love no glory
no hero in her skies

Sie hat seine Liebe nicht erwidert . Er würde darüber hinweg kommen, hat sie gesagt. Und so scheint es: “Life goes easy on me most of the time”.

and so it is
just like you said it should be
we’ll both forget the breeze
most of the time
and so it is
the colder water
the blower’s daughter
the pupil in denial

Es durfte oder konnte nicht sein, vergessen ist der Sommerwind, die kalten Wellen nehmen die Erinnerung mit sich fort. Der Schüler (er?), die Schülerin (sie? s.o.) oder  „die Pupille, das Auge“  (danke, Christian!) wollen es nicht wahrhaben, so einfach ist das mit der Liebe und dem Vergessen nicht…das klappt nicht auf Knopfdruck, nicht wahr?

Und deshalb:

i can’t take my eyes off you                                                                                                                                                                                                                                                                                                         i can’t take my mind off you

Kein Vergessen, immer wieder die Bilder betrachten, die Schönheit bewundern, die Stimme, was auch immer…. Er hat sich nie wirklich von ihr losgesagt, hat nie versprochen, sie zu vergessen. Sie hat schließlich nie gesagt, dass sie ihn hasst oder dass sie alles vergessen will, was war:

did i say that i loathe you?
did i say that i want to
leave it all behind?

Das wird so weitergehen, bis jemand anderes die Lücke füllt:

i can’t take my mind off you
my mind’til i find somebody new

Kann man eine Liebe durch eine andere ersetzen? Vielleicht NUR so. Sonst bleibt da immer eine Sehnsucht.

Das tut weh, aber es tut auch gut. Wir brauchen solche Songs, weil es da immer so eine Erinnerung gibt, die ganz persönliche  „Blower’s Daughter“.  Ein schöner Soundtrack für den ganz persönlichen Erinnerungsfilm. Für mich ist sie übrigens einfach die „Tochter des Windes“, der im Video so dramatisch ihre Haare verweht. Heute hier, morgen dort, anwesend, aber nicht festzuhalten.

Thank you, Damien!

Werbung

Rockstars in der Midlife Crisis? Walk – Foo Fighters

Wer “Falling Down” mit Michael Douglas gesehen hat, wird seinen Spaß haben am Video zum Song “Walk” von den Foo Fighters aus ihrem neuen Album „Wasting Light“. Aber auch sonst ist das Video ein (teilweise recht derbes!) Vergnügen: Ein gestresster und geschniegelter Mann, David Grohl von den Foo Fighters, bleibt auf dem Weg zur Arbeit  im Stau stecken und beschließt, andere Wege zu gehen. Das fängt damit an, dass er nicht mehr Auto fährt, sondern geht.

Nur die Gitarre nimmt er mit und die lässt erahnen, dass es sich eben nicht um einen ganz normalen Büromenschen handelt. Auf seinem Spaziergang durchs neue Leben begegnen ihm jede Menge Unannehmlichkeiten – und es gibt kein Happy End , zumindest nicht für ihn. Seine Bandkollegen machen sich noch lustig über den von der Polizei abgeführten Musiker. Zum Glück hatten sie vorher noch Zeit, das neue Album mit dem Song „Walk“ aufzunehmen…! 😉

Die Lyrics könnt ihr hier nachlesen, das Video hier ansehen.

Die Mühle des ewig gleichen Berufs-Alltags, Formeln, jeden Montag wieder startklar und einsatzbereit:

To whom it may concern, I think I lost my way. Getting good at starting over every time that I return”.

Da ist nur eine Erinnerung an andere Zeiten, einen anderen Anruf:

A million miles away your signal in the distance…“

Wer da ruft, ist nicht klar, wohl aber ist da das Gefühl: etwas stimmt nicht in meinem Leben, es ist aus dem Gleichgewicht geraten. Ich sollte etwas ändern:

I’m learning to walk again; I believe I’ve waited long enough. Where do I begin? I’m learning to talk again, can’t you see I’ve waited long enough. Where do I begin?

Laufen statt Autofahren, Reden statt Telefonieren – das sind ja nur zwei Beispiele für andere mögliche Prioritäten. Dann ist da die Erinnerung an Kinder- und Jugendzeiten:

Do you remember the days we built these paper mountains, then sat and watched them burn. I think I found my place, can’t you feel us growing stronger – little conquerors…”

Wo ist diese Abenteuerlust geblieben, der Zusammenhalt der Freunde, das Gefühl, dass niemand einem den Weg versperren kann?

Sehen wir da Anzeichen einer Midlife-Crisis bei den Foo Fighters? Das Alter hätten sie ja – und es ist ja auch ganz normal und gesund, wenn man sich in den 40ern mal fragt: wie soll es weiter gehen?
Man möchte frei sein, nicht anderen nach dem Mund reden, die eigene Meinung vertreten:

Now, for the very first time don’t you pay no mind. Set me free again…”

Das Lebensgefühl der Lebensmitte? “To sacrifice but knowing to survive” – du weißt, dass Verzicht nicht immer Verlust sein muss, dass du dich weiter entwickelt hast.
You keep alive a moment at a time but still inside a whisper to a riot – to sacrifice but knowing to survive, the first to climb another state of mind…” – du lebst für den Tag, weil du nicht weißt, wie viel Zeit dir bleibt, aber in dir ist der Aufruhr, der Protest noch lebendig und wenn es nur ein Flüstern ist.

Im Laufe und gegen Ende des Songs bricht sich das Flüstern Bahn, der Protest gegen das Ende, die Begrenzung, den Tod:

I never wanna die
I’m dancing on my grave
I’m running through the fire
Forever, whenever
I never wanna die
I never wanna leave
I never say goodbye
.”

Wenn die Midlife Crisis der Foo Fighters solche Songs wie „Walk“ hervorbringt, dann:

Ein „Hoch“ auf die Krise! 😉

Vom Suchen und Finden – I still haven’t found what I’m looking for – U2

Ich komme gerade aus Dresden von einem  fünftägigen Happening. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag haben sich Hunderttausende auf die Suche gemacht. Sie haben nach Begegnung gesucht, Spaß, Musik, Entdeckungen in einer wunderschönen Stadt, aber auch nach Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen: wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir, was sollen und können wir tun?

Darauf gibt es viele verschiedene Antworten. Christen finden andere als Buddhisten, Muslime, Juden oder Atheisten. Es soll Menschen geben, die sich solche Fragen gar nicht stellen. Das ist mir fremder als die Antworten, die andere Glaubensrichtungen geben.

Um das Suchen und Finden von Antworten geht es auch in diesem Song. 1987 veröffentlicht die irische Band U2 ihr Album „The Joshua Tree“ mit dem Song “I still haven’t found what I’m looking for“ (Lyrics gibt es hier, das Video zum Song könnt ihr hier ansehen).

Schwierig ist es natürlich dann, wenn man gar nicht so genau weiß, wonach man sucht. Die konkreten Fragen werden auch hier im U2 Song nicht genannt, wohl aber die Orte, an denen sie suchen: „I have climbed the highest mountains, I have run through the fields… I have run, I have crawled,I have scaled these city walls”. Nicht in der Natur, nicht in der Stadt sind sie fündig geworden. Was sie gesucht haben? „Only to be with you” – das klingt nach einem Liebeslied.

Im weiteren Verlauf bestätigt sich diese Vermutung: „I have kissed honey lips, felt the healing in her finger tips, it burned like fire this burning desire”. Endlich mit der Person zusammen sein zu können, die man begehrt und liebt, das scheint das Ziel vieler Menschen zu sein, besonders wenn man mal auf Songlyrics achtet. Um Liebe und Enttäuschung geht es immer wieder.
Hier auch: „But I still haven’t found what I’m looking for“ – der Titel des Songs ist zugleich der immer wieder kehrende Refrain. Gesucht und nicht gefunden. Auch die Beziehung zu einem anderen Menschen hat die Lücke nicht füllen können, die Sehnsucht nach einer Antwort auf alle Fragen.

I have spoken with the tongue of angels, I have held the hand of a devil” – selber mit Engelszungen reden und gleichzeitig die Gesellschaft des Bösen ausprobieren, das führt dazu, dass man selbst in einer lauen Nacht fröstelt: „It was warm in the night, I was cold as a stone“, es fühlt sich alles nicht richtig an, nicht vollkommen, da fehlt etwas. „But I still haven’t found what I’m looking for.

Was dann folgt, ist ein christliches Glaubensbekenntnis, dazu steht die Band U2 ja ganz öffentlich und daraus folgt auch ganz konsequent ihr soziales und politisches Engagement:  „ I believe in the Kingdom come… You broke the bonds and you loosened the chains, carried the cross of all my shame”. Der Glaube an das Kommen des Reiches Gottes und die Erlösung von Schuld durch den Kreuzestod Jesu gehört zu den zentralen Inhalten des christlichen Glaubens. „Then all the colours will bleed into one, bleed into one” – am Ende werden alle Farben, alle Fragen, alle Fantasien in eins münden, es wird EINE Antwort geben.

ABER: obwohl er das „glaubt“ – „you know I believe it” – bleibt da ein Zweifel. Der Song endet mit dem mehrmaligen „I still haven’t found what I’m looking for.

Das finde ich gut: Zweifel gehört zum Glauben. Wer zweifelsfrei glaubt, ist mir unheimlich. Es gibt noch zu viele offene Fragen.

Auch auf dem Kirchentag in Dresden wurden nicht Antworten auf alle Fragen gegeben. Aber man redet miteinander, die Christen mit den Muslimen und Juden, die Glaubenden mit den Skeptikern und Agnostikern, und das ist das Entscheidende.

Wonach sucht ihr? Seid ihr fündig geworden?
Warum fragt man eigentlich nicht mal U2, ob sie beim nächsten Kirchentag in Hamburg auf dem Abschlussgottesdienst spielen wollen? Fänd‘ ich toll! 😉

P.S. Hab ich heute (2.6.2012) entdeckt (danke, Martin!): der Song als Kirchenlied – geht doch! 😉