J.S.Bach oder Coldplay? Christmas Lights – Coldplay

Ein Video mit Lyrics gibt es hier. Das offizielle Video findet ihr hier. English version here.

Weihnachten steht vor der Tür. Jetzt muss noch ein Weihnachtslied für das Blog her… Coldplay oder J.S.Bach – das ist hier die Frage!

Es gibt so viele schöne Weihnachtslieder…so viele schöne alte, wie O du Fröhliche, Vom Himmel hoch… Auch die englischen Carols habe ich in meiner Australienzeit lieben gelernt: O Holy Night, Noel Noel, Away in a manger… Mein Lieblingslied ist „Ich steh an deiner Krippen hier“, geschrieben 1653, vertont von J.S.Bach . So Alt. So schön. So gehaltvoll. „O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich könnte fassen…“ (EG 37)
Aber darüber ist schon so viel gesagt worden. Heute gibt es ja auch neue Lieder. Jede Zeit hat ihre Weihnachtslieder. Sagen die etwas aus über die Menschen ihrer Zeit, über ihre, unsere Art, Weihnachten zu feiern?

Die britische Gruppe Coldplay hat dieser Tage einen Weihnachts-Song veröffentlicht: „Christmals Lights“. Die Melodie klingt vertraut, die Stimmen natürlich auch, Coldplay eben. Was ist mit dem Text? Was sagt er über Weihnachten?
Es fängt ja gar nicht gut an:
Christmas night, another fight
Tears we cried a flood
Got all kinds of poisoning,
of poison in my blood.”
Klingt das bekannt? Weihnachtsnacht – und es kracht. Die Statistik gibt ihnen recht. So viele überhöhte Erwartungen an das „Fest der Familie“, das kann schon mal schiefgehen. Da fließen dann die Tränen. Das Gift, das sich angesammelt hat, macht sich bemerkbar. Was hilft? Abstand nehmen, weggehen?
I took my feet
To Oxford Street
Trying to right a wrong
Just walk away
Those windows say
But I can’t believe she’s gone.
Oxford Street mit seinen Schaufenstern und Lichtern helfen nicht weiter. Das Unrecht kann nicht so einfach wiedergutgemacht werden. Sie ist gegangen.
Like some drunken Elvis singing
I go singing out of tune
Saying how I always loved you darling
And I always will.”
Er liebt sie und wird sie immer lieben, sie ihn aber nicht – das alte Lied, ein wenig „out of tune“ gesungen, aber auch bekannt, oder?
But I’m up here holding on
To all those chandeliers of hope”.
Er klammert sich an die Hoffnung, die Lichter, die Kerzen. Aber was fehlt, ist das „weihnachtliche Gefühl“ – dazu gehört offenbar Schnee, zumindest in unseren nördlichen Breitengraden. Immerhin: “Those Christmas lights light up the street.” Und das tun sie ja in unseren Städten – Städte ohne Weihnachtsbeleuchtung sind  heute wirklich nicht vorstellbar, sowenig wie Häuser ohne Kerzen und Lichter. Sie stehen in diesem Lied für die Hoffnung – ganz real, dass die Liebe zurückkommt, dass alle Sorge ein Ende hat.
Those Christmas lights
Light up the street
Maybe they’ll bring her back to me
Then all my troubles will be gone
Oh Christmas lights keep shining on.”

Weihnachten a la Coldplay – das ist:  Musik, Schnee, Lichter und die Hoffnung auf Versöhnung. Immerhin. Kommt mir bekannt vor. Das ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, mit dem man heute noch Weihnachten feiern kann, das Fest der Familie, der Versöhnung, der Geschenke. Christmas ohne Christus – geht auch, natürlich, und wird für viele immer mehr zur Alternative. Christen haben das Fest längst nicht mehr für sich gepachtet.

Ich feiere auch gerne Weihnachten, mit der Familie, mit Geschenken, mit echten Kerzen am Tannenbaum. Aber ich glaube, ich bleibe bei „Ich steh an deiner Krippen hier“ und „O du fröhliche“ zum Mitsingen. Da steckt einfach viel mehr drin: „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht, wie schön sind deine Strahlen!“ (EG 37,3) – denn: „Jesus is the reason for the season“, eigentlich.

Coldplay hör ich mir dann auf 1LIVE im Radio auch ganz gerne an – beim Autofahren… 😉

Frohe und friedliche Weihnachten wünsche ich allen – wie und warum auch immer ihr es feiert!

Outback-Rock mit Botschaft? Beds are Burning – Midnight Oil

Ein Video gibt es  hier –  Lyrics findet ihr hier

Man begegnet ihnen kaum, den Aborigines, den Ureinwohnern Australiens. Sie leben nicht in den Großstädten, nicht in Sydney und Melbourne, sondern im Outback, in den kleinen Landstädtchen und Dörfern oder Roadhouses am Rande der Landstraßen. Sie leben in Alice Springs, in der Mitte des Kontinents, in der Nähe (500km sind nah in Australien!) ihrer größten heilige Orte, Uluru und Kata Tjuta. Ihre Kultur, ihre Kunst jedoch ist allgegenwärtig. Sie wird vermarktet auf T-Shirts und Tassen, auf Kalendern und Postkarten. Viele Didgeridoos und Boomerangs verlassen als Souvenirs jeden Tag das Land. Großformatige Acryl-Leinwandmalereien hängen inzwischen in Museen weltweit und erzielen auf Auktionen Millionenbeträge. Die Künstler leben unter teilweise erbärmlichen Umständen in der staubigen Wüste . Mehrere Familien teilen sich eine Wellblechhütte, oft gibt es keinen Strom, kein fließendes Wasser. Im Jahr 2007 ging ein Aufschrei durch das Land, als eine Untersuchung diese Zustände an die Öffentlichkeit brachte. Dabei wussten es alle längst. Die Ureinwohner Australiens haben die niedrigste Lebenserwartung, die schlechteste Schulbildung, die größten Alkoholprobleme. Besonders die Kinder leiden unter diesen Zuständen, wie der Report aus dem Jahr 2007 „Little Children are sacred“ betonte. Kinder wurden bis in die 70er Jahre hinein aus ihren Familien gerissen, um sie in den Genuss der weißen westlichen Lebensweise zu bringen. Immerhin schaffte es 2007 die Regierung unter Premierminister Kevin Rudd, das längst fällige „SORRY“ im Parlament auszusprechen und so die Schuld einzugestehen, die das Leben dieser Menschen zerstört hat.

Midnight Oil hatte bei der Olympiade in Sydney 2000 auf diese Missstände hingewiesen mit ihrem Song aus dem Jahr 1988 „Beds are burning“. Sie trugen bei ihrem Auftritt schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Sorry“. Damit rückten sie das Schicksal der Aborigines ins Rampenlicht der weltweiten Öffentlichkeit.

Der Song beginnt mit einer Beschreibung des staubig-trockenen heißen Outbackszenarios:

Out where the river broke
The bloodwood and the desert oak
Holden wrecks and boiling diesels
Steaming forty five degrees”.

Bloodwood und Desert Oak, Bäume, die in dieser Trockenheit überleben. Autowracks, die liegengeblieben sind, weil die nächste Tankstelle hunderte von Kilometern entfernt ist. 45 Grad Hitze, im Sommer keine Seltenheit.

In der zweiten Strophe eine ähnliche Stimmung:

Four wheels scare the cockatoos
From Kintore East to Yuendemu
The western desert lives and breathes
In forty five degrees.”

Hin und wieder scheucht ein Auto, meistens Allradantrieb, (asphaltierte Straßen gibt es hier kaum), die Kakadus auf. Was so tot und verlassen aussieht, lebt natürlich trotzdem. Und was da alles lebt: die giftigsten Spinnen und Schlangen der Welt, nachtaktive Beuteltiere, Kängurus natürlich. Aber eben auch Menschen. Unvorstellbar, wie man hier überleben kann, aber sie tun es, und das  seit 50000 Jahren, wie Archäologen nachweisen konnten.

Deshalb der Aufruf:

The time has come                  The time has come
A fact’s a fact                              To say fair’s fair
It belongs to them                     To pay the rent
Let’s give it back”.                     To pay our share“.

Die weißen, eingewanderten Australier sollten ihren Anteil, ihre “Miete” am Land zahlen. Heute kann das nur heißen, den Aborigines dieselben Chancen einzuräumen auf Bildung, Gesundheit, Wohlstand. Kein leichtes Projekt. Da prallen wirklich zwei Welten aufeinander, aber das heißt nicht, dass man aus der Verantwortung entlassen ist als „Eroberer“.

Der Refrain nimmt diese Problematik auf:

How can we dance when our earth is turning
How do we sleep while our beds are burning?

Wie können wir (ruhig) schlafen, während doch das Bett, in dem wir liegen, brennt. Darin liegt in der Tat sozialer Zündstoff. Wir tanzen, vergnügen uns, während die Erde sich weiterdreht. Wird uns nicht irgendwann schwindelig? Zeit zu handeln, Zeit zum Innehalten. Das ist die Botschaft.

So richtig angekommen ist sie noch nicht. Die Erde dreht sich weiter. Immer neue Probleme kommen hinzu. Nicht nur das australische Outback heizt sich auf, die gesamte Erde – auch wenn wir zur Zeit in Deutschland nichts davon spüren…brrr.

Midnight Oil gibt es als Band nicht mehr. Ihr Leadsinger Peter Garrett war Umwelt- und Kulturminister, jetzt ist er Minister für Bildung und Kinder-und Jugendangelegenheiten in der australischen Regierung.

Ihre Botschaft ist immer noch notwendig und ihre Musik hörenswert, finde ich.

Im Dezember 2009 wurde der Song anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen umgedichtet. Mehrere Künstler und Kofi Annan wirkten an dem sehenswerten und leider immer noch aktuellen Videoclip mit.

Remember – Imagine – John Lennon

Lyrics findet ihr hier und ein Video zum Lied kann man hier ansehen :

Heute vor 30 Jahren wurde John Lennon in New York ermordet. Mit „Imagine“ hat er ein Lied hinterlassen, das Musikgeschichte geschrieben hat. Gibt es jemanden, der das Lied nicht kennt?

Es ist schlicht, einfach in seiner Aussage, keine geheimen, verschlüsselten Symbole. So leicht zu verstehen, und so schwer umzusetzen. Denn es will umgesetzt werden. Es erzählt nicht nur. Es fordert auf, etwas zu tun: „Imagine…“. Wenigstens das. Stell dir vor… Und das ist gar nicht so schwer: „It‘s easy if you try.“ Kein Himmel, keine Hölle. Also kein Jüngstes Gericht, keine Verurteilung. Nicht: die einen bei Gott, die anderen beim Teufel –  in Ewigkeit. Keine Ländergrenzen, keine Kriege,  keine Religionen – nichts wofür man in den Krieg ziehen würde. Aber auch: kein Besitz, keine Gier, kein Konsumterror – und deshalb auch: kein Hunger in der Welt. Schon schwerer vorzustellen: „I wonder if you can.“ Schwerer, weil es mein eigenes Leben, meine Lebensweise, meine Prioritäten betrifft und nicht nur politische Entscheidungen der Staatsführer.

You may say I am a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will be as one.”

Klar, das sind Träume, aber John Lennon wusste, dass er nicht allein war mit seinen Träumen.

Es gibt sie ja heute auch noch, die Träumer, Gott sei Dank. Ich persönlich sage das sehr bewusst so. Auch wenn „die Religion“ schlecht wegkommt in diesem Song, auch wenn Religionen für viel Leid auf  dieser Welt verantwortlich sind , sind es doch oft auch religiöse Menschen, die diesen Traum vom guten und gerechten Leben für alle auf dieser Welt lebendig erhalten. Weil sie glauben, dass das, was ist, nicht alles ist. Weil sie ihren Nächsten im Blick haben. Weil es um Gemeinschaft geht und nicht um Trennung und Aufteilung in gut und böse, wahr und falsch. Weil sie die Zukunft im Blick haben und die Vergangenheit nicht vergessen.

Das  Ziel: “The world will be as one”. Die Menschheit als Einheit. So eine einfache Formel, aber wahrscheinlich ist das die Lösung für viele Probleme.

Danke für dieses Lied, John Lennon. Danke für deinen Traum.

Jetzt sind wir dran.

Hausmusik der anderen Art: Closer to the edge – 30 Seconds To Mars

Hier gibt es Lyrics und Video.

Ich mag es, wenn Familienmitglieder zusammen  Musik machen. Hausmusik. Weihnachtsmusik. Was auch immer. Finde ich schön, rührend. Was die Brüder Jared und Shannon Leto da zusammen machen, ist aber eher nicht rührend. Die verbergen sich nämlich hinter dem kreativen, irgendwie kryptischen Bandnamen „30 Seconds to Mars“. Ich muss gestehen, bis vor kurzem wusste ich nicht, dass das  der Name einer Band und nicht der Titel eines Science-Fiction-Romans ist. Mit „Closer to the Edge“ landeten 30 Seconds to Mars Anfang 2010 einen großen Hit. Auch der Text dieses Songs mutet eher geheimnisvoll an.  Schau’n wir ‘mal:

I don’t remember the moment I tried to forget, I lost myself is it better not said, now I’m closer to the edge”.

Rückblickend auf einen Moment des Sich-Selbst-Verlierens gesteht der Sänger: Ich stehe am Abgrund. Und ich weiß nicht mehr genau, wann es anfing.
Unklar ist – warum? Weiter heißt es: “It was a thousand to one and a million to two. Time to go down in flames and I’m taking you closer to the edge”.  Standen die Chancen 1000:1 oder  2Mio:2, dass die Beziehung eine Chance hatte? Oder geht es um ein Spiel, das hoch, sehr hoch verloren wurde – aber zwischen welchen Parteien? Alles sehr rätselhaft. Eine Anklage steht im Raum, ein Vorwurf, die Aufforderung, sich zu entschuldigen. Aber nein: “No, I’m not saying I’m sorry”. Und dann, etwas versöhnlicher: “One day, maybe we’ll meet again”.

Wenn man bisher noch den Eindruck haben konnte, es handele sich um eine unglückliche Liebesgeschichte, dann wird es in der 2.Strophe noch mystischer und geheimnisvoller:

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Can you imagine a time when the truth ran free, the birth of a sun, the death of a dream?“

Mich erinnert das an die biblische Geschichte von Schöpfung (Geburt einer Sonne, die Wahrheit ist frei) und Sündenfall: „This never ending story paid for with pride and fate. We all fall short of glory, lost in our fate.” Die endlose Geschichte des menschlichen Stolzes und der “Vertreibung aus dem Paradies”, der Verlust der träumenden Unschuld und der Ehre, die Krone der Schöpfung zu sein. Wo die christlichen Kirchen zum Sündenbekenntnis aufrufen und die Vergebung durch die Kirche oder durch Gott zusprechen, da kommt hier das protestierende „no, no, no“, das im Song immer wieder auftaucht: „No, no, no, no I’m not saying I’m sorry. I will never forget. No, no I will never regret. No, no I will live my life!“ Ich bereue nichts, ich lebe mein Leben. Ich vermute, dieser Refrain und das Lebensgefühl, das sich darin wiederspiegelt, ist es, das die jungen Fans dieser Band sehr anspricht. Protest gegen die Moral der Etablierten, die Kontrolle der Autoritäten. Kann ich gut nachvollziehen.

Zum Song gibt es ein offizielles, sehr gut gemachtes Video, das bringt noch einmal eine ganz andere Dimension mit hinein. „Closer to the edge“ bekommt für mich hier eine gespenstische, ja politische Note.

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In weiten Teilen des Videos wird gezeigt, wie der Leadsänger Leto die Massen mitreißt.  An einer Stelle erhebt er, in einen dunklen, langen Mantel gehüllt, den rechten Arm zum Gruß. Ein „Are you ready?“ wird eingeblendet – ein Narr, wer da nichts Politisch-Deutsches-Geschichtliches  denkt. Wie es ihm gelingt, ihre Bewegungen, ihren Gesang zu koordinieren, auf den Punkt genau. Wie sie ihm folgen, ihn auf Händen tragen, ihn vergöttern. „Yes, this is a cult“ wird eingeblendet als Jared Leto in einem Lichterkranz regelrecht „gekreuzigt“ wird, und die weltweiten Kultstätten werden gleich mit dazu genannt: London, Tokio, Berlin, New York ….

Genial gemacht ist das Ganze und ich unterstelle mal, dass mit diesem Video genau dieser Abgrund, diese Gefahr selbstkritisch visualisiert werden soll. Der Sänger bringt seine Zuhörer und Fans „closer to the edge“, an den Punkt, an dem sie bereit sind, sich selbst aufzugeben für eine größere Sache, eine andere Person.

Das alles hat religiöse Züge, natürlich. Unterstrichen wird das durch die zwischendurch und besonders am Ende eingeblendeten Statements junger Leute: „Some people believe in God, I believe in music. Some people pray,  I turn up the radio. Music is everything to me.”

Musik, Religion, Macht- ein interessantes Dreigestirn. Ich kann mir keine Religion ohne Musik vorstellen. Viele können sich Religion nicht ohne Macht denken. Und Musik hat ganz sicherlich Macht über Menschen. Sie erfüllt religiöse Bedürfnisse. In diesem Song und vor allem dem Video kommt all das zusammen.

Eine Analyse, eine Warnung, eine Feststellung? Ich frage mich, ob ich überinterpretiere und ob die Fans dieser Band das nachvollziehen können? Ich halte die Band allerdings für so intelligent, dass ich ihnen diese Gedanken durchaus zutraue. Und sie sagen ja selbst: „Unsere Lieder funktionieren wie Gemälde. Kunst soll erfahren und interpretiert werden. Darin liegt ihre unglaubliche Kraft. Sie ist interaktiv und lebt in den Erklärungen jedes einzelnen Individuums weiter. Es wäre unfair, unseren Fans durch eine zu detaillierte Erklärung die Möglichkeit für eigene Interpretationen zu nehmen.“( Zitat)

 

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Also, macht euch selbst ein Bild und eure Gedanken. Was haltet ihr von meinen?