Ganz schön heilig: Geboren um zu leben – Unheilig

Hier könnt ihr das Video sehen. Die Lyrics gibt’s hier.

Wie kann jemand, der sich „Unheilig“ nennt, nur so religiös daherkommen? Der Name soll wohl Programm sein, soll provozieren, Neugier wecken. „Heilig“ ist Langeweile, Tradition, Kirche und konservativ. „Unheilig“, das ist aufmüpfig, böse, dunkel, sündig, aber auch frei, fortschrittlich, unangepasst – und damit im Trend.

Der Graf, eigentlich Bernd Heinrich Graf, kommt ursprünglich aus der Gothic-Szene und kokettiert immer noch gerne damit, obwohl in seinen letzten Songs davon eigentlich nichts mehr zu spüren ist.

In seinem bisher wohl erfolgreichsten Lied „Geboren um zu leben“ vom

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Februar 2010 nimmt er Abschied von jemandem, der ihm viel bedeutet hat und mit dem ihn schöne Erinnerungen verbinden: „Es fällt mir schwer, ohne Dich zu leben …. Ich denke an so vieles seitdem Du nicht mehr bist“. Das zum Song veröffentlichte Video legt nahe, das es sich hierbei um einen Freund aus Kindertagen handelt, der leidvolle, aber auch schöne und befreiende Erfahrungen mit ihm geteilt hat. Der Schmerz um den Verlust ist noch lebendig, noch kann der Platz nicht einfach von jemand anderem eingenommen werden, ein ganz normaler Trauerprozess: „Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen, mit gutem Gefühl etwas Neues zuzulassen. In diesem Augenblick bist Du mir wieder nah wie an jenem so geliebten vergangenen Tag.“

Aber irgendwann geht das Leben weiter, man blickt nach vorne, man braucht eine Zukunft, etwas, worauf man sich freuen kann, neue Pläne: „Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben, ohne Reue nach vorn‘ in eine Zukunft zu schau’n.“

Der Refrain übermittelt dann die eigentliche Botschaft des Songs: „Wir war’n geboren um zu leben, mit den Wundern jener Zeit, sich niemals zu vergessen bis in alle Ewigkeit. Wir war’n geboren um zu leben, für den einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.“ Das ist nicht schwer zu verstehen, da ist nichts Geheimnisvolles, Mehrdeutiges, auch nicht wirklich Anspruchsvolles… Text und Melodie tendieren wohl eher in die Rubrik „Schlager“ als Rock oder gar Gothic.

Ein „unheiliger Schlager“ – geht das eigentlich? Das Lied beweist es. Wir wollen Trost, Wunder, Ewigkeit, Leben. Jemanden an unserer Seite. Wenn das mal nicht „religiös“ ist, dann weiß ich auch nicht… Und der Graf gibt in Interviews ja auch zu, dass er ein „religiöser Mensch“ sei, dass seine Familie ihm „heilig ist“ (Interview mit der Gießener Zeitung vom 24.3.2010), dass er an Gott glaubt, nur eben nicht an „die Kirche“, obwohl er angeblich Kirchensteuer zahlt, was ich sehr löblich fände bei seinem Einkommen!

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Auch andere Texte, wie „Schutzengel“, und „Der Himmel über mir“ zeugen von dieser Religiosität und sprechen damit offenbar vielen aus der Seele, die sich als „irgendwie religiös oder gläubig“ bezeichnen, sich aber von den Kirchen entfremdet haben. Es ist doch erstaunlich, dass die Bild- und Sprachwelt eben jener Kirchen einfach mitgenommen wird in den „unheiligen Alltag“. Sie taugen offenbar doch zu etwas. Das sollte den Kirchen zu denken geben. Was machen sie nur falsch?

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